Assalomu alaykum und hallo zu diesem Tripreport aus Usbekistan.
Die meisten Leute haben bisher immer gefragt "was will man da denn?" wenn wir von unseren Reiseplänen berichtet haben, genau das versuche ich mit diesem Tripreport mal ein wenig näher zu bringen… ist echt ein tolles Land und sehr lohnenswert, teils einzigartig und sehr interessant. Viele denken bei Usbekistan erstmal an "ex-UDSSR", Kommunismusbauten und sowjetischen Betoncharme, aber das ist nur eine Seite der Medaille.
Ende September ging es für uns zunächst mal nach Madrid. Da Uzbekistan Airways ab Frankfurt einen happigen Aufschlag von 200€ haben wollte, und auch im Moment nicht den A310 einsetzt,verlegten wir unseren Abflugort kurzerhand nach Madrid und sparten uns so immerhin noch gute 70€.
Abflug war dann 04:15 (!) und dementsprechend voll war es auch am riesigen Terminal T4 und T4s.
Der Check-in wurde immerhin 3,5 Stunden vor Abflug geöffnet, und so hatten wir dank einer kleinen Verspätung unseres überfüllten LH CR7 aus Düsseldorf auch kaum Langeweile.
Hier schonmal ein Bild der Maschine… die UK31002 mit dem Namen Fergana war schon etwas abgenutzt aber dennoch eigentlich halbwegs bequem im Vergleich mit Intercont-Airlines wie DL. Die A310 wird ja mittlerweile auch ziemlich rar, daher war das eine gute Gelegenheit nochmal mit diesem Gerät zu fliegen.
Nach ca. 2 Stunden Flug erreichten wir unseren Zwischenstop Genf wo nach 90 Minuten Aufenthalt endgültig Richtung Usbekistan gestartet wurde.
Nach weiteren 6 Stunden Flug war es dann geschafft.
(Bilder vom Catering hab ich auf dem Rückweg gemacht…)
Gegen 18:00 Uhr in Tashkent erblickten wir gleich das verloren gegangene Paradies, da die Pest in Tüten (namentlich A320) mittlerweile auch Usbekistan erreicht hat. Ein paar Jahre früher und man hätte TU-154B2. TU-154M, IL86 und YAK40 genießen können
Wer Interesse hat, auf der Webseite von Uzbekistan Airways sind die IL86 zum Verkauf angeboten. Saufen zwar ein wenig Sprit und hätten auch mal einen Anstrich nötig aber ansonsten sind sie ein wahrer Schatz!
Die gestorte Frachtflotte ist ebenfalls nicht zu übersehen
Tu5B mit IL-114…
Nach Ankunft und langwieriger Einreise (zwar unkompliziert an sich, aber nur zwei Schalter offen und langsame Bearbeitung…) wurde die örtliche Taximafia beehrt und ähnlich wie in Russland gilt auch hier: Die Taxifahrer im Terminal sind teurer als die vor der Absperrung, da sie die Polizisten bestechen um in den Flughafen zu kommen. Unser Taxifahrer bestätigte auch gleich unsere Vorkenntnisse bezüglich des Geldwechsels mit einem lakonischen: "Black market good! Bank? Litter!" Nach einem Griff ins Handschuhfach waren die ersten 100$ schnell gewechselt.
Der offizielle Kurs beträgt für 1-US$ ca 1750 Sum. Auf dem Schwarzmarkt (Kurs unbedingt aushandeln!) bekommt man bis zu 2300 Sum für einen Dollar.
Nach einer sehr kurzen Nacht ging es schon am nächsten Morgen um 07:30 Uhr weiter nach Bukhara. Vor der Reise hatten wir uns fest vorgenommen, bei Uzbekistan Airways die absolute Rarität IL114 unter den Hintern zu bekommen und so bastelten wir wochenlang an unserem Reiseplan.
Die Schwierigkeit daran ist der Flugplan von Uzbekistan Airways. Auf der Internetseite gibt es keine verlässlichen Daten und so mussten wir den Plan per Hand über Opodo/Expedia/Amadeus erstellen. Das Resultat war aber keinesfalls befriedigend, da HY alle Ziele derart wahllos und löchrig wie ein schweizer Käse bedient, zusätzlich die Pest in Tüten (zur Erinnerung: Die brandneuen A320) fast alles überfallen hat und eine akzeptable Reiseroute damit nur sehr schwer erstellbar war.
Da wir nur 10 Reisetage im Land hatten verwarfen wir die Idee eines reinen IL114 Flugtages ohne konkretes Ziel und somit setzten wir unsere Hoffnungen auf den Flug TAS-BHK, der laut Amadeus mit AN24 bedient werden sollte. Da unsere Quellen alle besagten, dass die AN24 bereits seit längerem ausgemustert war, konnte dieser Flug ja nur die IL114 meinen. Oder?
Am nächsten Morgen am brandneuen Inlandsterminal war die Überraschung dann groß, als auf dem Ladebuch des Check-In Mannes ein fettes "AN24" prangte…
Also schnell durch die Sicherheitskontrolle und ein Blick aufs Vorfeld geworfen und dort standen sie: 5 IL114 und 3 AN24.
Die Wartezeit ging mit sabbern durchs Fenster schnell um und der erste Flug mit diesem wunderbaren Gerät war auch gesichert. Somit wurde es zwar nichts mit dem gewünschten IL114 Flug, aber eine Enttäuschung war es bei der Alternative auch nicht.
Das Inlandsterminal Tashkent-3 wurde erst vor ein paar Tagen eröffnet (26.09.2011 meine ich) und dementsprechend blitzblank war auch noch alles. Es liegt allerdings weiter weg vom internationalen Terminal, vom einen zum anderen laufen empfiehlt sich nicht, da es auf gegenüberliegenden Seiten der Runway liegt…
Fotos von den tollen AN-24, IL-114 usw. würde ich liebend gerne zeigen, allerdings ist das fotografieren in Usbekistan an allen strategischen Einrichtungen (Flughäfen, Brücken, Tunnel, Metro, Bahnhof etc) strengstens verboten. Das ist in anderen Ländern auch schonmal der Fall, allerdings stehen in Usbekistan beim Boarden des Flugzeuges Soldaten mit Ak47 neben dir, sodass die Kamera lieber stecken blieb. Zusätzlich ist jeder Flughafen übersät mit bewaffneten Soldaten, die entweder zwischen den Maschinen auf dem Vorfeld patroullieren oder auf Wachtürmen entlang der Mauer auf dem Posten liegen. Man muss ja keine unnötigen Risiken eingehen…
Unsere AN24 Bahjahr '73 begeisterte dafür auf Anhieb: Wunderschöne Inneneinrichtung mit stilechten Gardienen, Sitze zum umklappen, ohrenbetäubendem Dröhnen und Vibrationen, die das Kauen von Essen überflüssig machen. Wie war das noch Boeing mit eurer 787? Die großen Fenster seien eine ach so tolle Revolution? Yeah, sure…
Es handelte sich übrigens um die UK46623, im Gegensatz zu den beiden AN-24B die daneben standen ist dies eine AN-24RV.
Ein Blick aus dem Fenster gewagt:
Insbesonderere im vorderen Teil der Kabine ein sehr schöner Klang…
Nach ca. 1:30 Flug wurde dann wieder das Fahrwerk ausgefahren:
Die Ankunft in Bukhara versetzte uns dann schlagartig in die usbekische Realität. Das Land verfügt zwar über große Rohstoffvorräte, jedoch profitieren davon leider wie in so vielen Ländern nur die oberen 10.000 davon. Die normale Bevölkerung lebt überwiegend von der Landwirtschaft (insbesondere Baumwolle) und ist an unseren Maßstäben gemessen arm. Der Tourismus ist zwar vorhanden, fristet aber realistisch gesehen ein Schattendasein. Selbst in der Hauptsaison ist keine der Sehenswürdigkeiten überlaufen und ich würde schätzen, dass 98% aller Touristen im Land in organisierten Rundenreisegruppen unterwegs sind und Individualtouristen wie wir nur selten anzutreffen sind. Gruppenreisen sind sicherlich eine bequeme Art, das Land zur erkunden, allerdings verpasst man so die wirklichen Erlebnisse eines solchen Urlaubs wenn man nur von Hotel zu Hotel und von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit mit dem Bus gefahren wird.
Der Weg von unserem Hotel zur Altstadt führte durch einen ausgestorbenen UDSSR-Stadtteil, der mit seiner gespenstigen Leere und Stille an Prypjat erinnerte.
Hier ein Blick aus dem Fenster:
Unser hotel Bukhara Palace - welch ein Charme…
Buchara wurde vor ca. 2100 Jahren gegründet und wurde im Laufe der Zeit ein wichtiger Warenumschlageplatz für Handelsgüter, die auf dem Weg von Asien nach Europa waren. Die bekannte "Seidenstraße" hat die Stadt einst reich gemacht.
Ein Teil der damaligen Pracht ist auch heute noch erhalten geblieben.
Heutiges Zentrum und Lebensmittelpunkt der Stadt ist der belebte Labi-Hauz Platz. Hier kann man entspannt sitzen, Tee trinken und dem Treiben in Ruhe zuschauen. Direkt am Platz befindet sich auch die zentrale Wasserversorgung in Form eines kleinen Sees der Oasenstadt.
Rund um die zentrale Moschee Kalon, dem Minarett und der (auf dem Foto links) befindlichen Miri-Arab-Medresse spielt sich das Handelsleben von Buchara ab. Hier kann man besonders Abends entspannt durch die engen Gassen schlendern, sich die Handwerkskünste der Messermacher oder Hutmacher sowie die Seidenstoffe und Teppiche aller Farben anschauen.
Hat schon was… dieser Architekturstil gefällt mir irgendwie
Auch von innen schick…
Die Festung in der der jeweilige Emir seiner Zeit hauste, ist zum Teil noch vorhanden und erhalten, in weiten Teilen aber nur noch eine reine Ausgrabungsstätte. Die ältesten Teile sind mehr als 2000 Jahre alt.
Man betritt die Festung durch ein großes Eingangstor…
Zwar kann man offiziell nur einen kleinen Teil der Festung besichtigen, aber gegen ein kleines Taschengeldes in Höhe von 1$ sperrt einem der diensthabene Polizist gerne das Tor auf und man erhält einen kompletten 360° Rundgang auf der Stadtmauer. Korruption ist in Usbekistan Alltag und für ein paar Dollars kann fast alles eigentlich gesperrte besichtigt werden…
Aussicht von oben - die "interessantere" Seite hatte leider Gegenlicht.
Sieht auch nichtmehr so ganz stabil aus, aber daher ist es wohl offiziell auch nicht zugänglich …
In Sichtweite gegenüber liegt die Bolo-Hauz-Medresse (Moschee). Die Holzsäulen sind mit prächtigen Holzschnitzereien versehen, erwecken aber was die Statik betrifft keinen soliden Eindruck.
Auf der "Einkaufsmeile" versuchten Händler neben Teppichen und Seidewaren auch Mützen und Sowjetabzeichen (Die es in Tashkent aber günstiger gibt ) zu verkaufen.
Neueres Gebäude …
Etwas weiter Richtung sowjetischem Stadtteil in einem Art Stadtpark liegt das Samaniden Mausoleum, das auch schon über 1000 Jahre auf dem Buckel hat. Seiner schlichten Schönheit tut das aber keinen Abbruch.
Ebenfalls etwas abseits liegt die wunderschöne kleine Chor-Minor Moschee. Was auf dem Foto natürlich fehlt ist die Stimmung dieser Orte. Inmitten der engen Gassen der Altstadt dringt kein Verkehrslärm, kein Fluglärm (der sowieso nicht vorhanden ist) oder sonstige Geräusche zu einem vor. Zusätzlich ist man meistens alleine an diesen Orten, da Touristen selten/wenig vorhanden sind.
Die einfachen Behausungen in der Altstadt sind hingegen weniger prächtig…Jede usbekische Stadt verfügt normalerweise über einen ehemals sowjetischen Teil mit protzigen Plätzen, Plattenbauten und Verwaltungsgebäuden sowie eben dieser Altstadt, die nahezu jede Infrastruktur wie Wasser oder Straßen vermissen lässt.
Nach 2 Tagen hieß es Abschied nehmen, Koffer packen und auf nach Samarkand. Unser Plan sah vor, am nächsten Morgen zum 15km entfernten Bahnhof zu fahren, ein Ticket zu kaufen und mit dem Zug nach Samarkand zu fahren.
Aus einem Geistesblitz heraus fragten wir kurzerhand unseren Hotelier ob es dabei was zu beachten gäbe, zum Glück wies er uns darauf hin, dass es sich sehr empfehle, das Ticket bereits vorher zu kaufen, sonst sei der Zug weg.
Da seine Aufgemalte Wegbeschreibung zum Ticketoffice wenig ergiebig war wendeten wir uns kurzerhand an den erstbesten Taxifahrer. Der erwies sich als einmaliger Glücksgriff. Nach ein wenig gebrochener Verständigung in Englisch, Russisch und Zeichensprache fuhr er uns für knapp 1€ zum Schalter, stieg mit uns aus und drängte gleich alle anderen wartenden Usbeken zur Seite und knöpfte sich die usbekische Fahrkartenverkäuferin der Staatsbahn vor.
Nach vielem Hin- und Her, Zeichensprache, gestikulieren und russischen Wortfetzen standen wir vor der Wahl, Business-Class oder Holzklasse zu fahren. Wir entschieden uns für die 3$ Aufpreis was von den umstehenden Usbeken mit einem staunenden "Ohhhhh, Business-Class?!" quitiert wurde.
Wir danktem dem Taxifahrer und er erstand sogleich sein Anschlussgeschäft und konnte uns am nächsten Morgen gleich zum Bahnhof fahren.
Die Bahnstrecke Tashkent-Samarkand-Buchara ist sehr gut angebunden und wird mehrmals täglich mit mehr oder weniger schnellen Zügen bedient. Wir haben den zu dem Zeitpunkt schnellsten Zug ("Sharq") genommen. Die Fahrkarte für die 3 1/2 Stunden-Strecke in der Business-Class kostet rund 12$. Der Bahnhof außerhalb von Bukhara war fast so bewacht wie ein Flughafen, mit Sicherheitskontrollen (durch die wir aber durchgewunken wurden) und viel Polizei.
Die Sitze ware aber echt nicht schlecht… sehr viel Platz…
Es gab sogar ein Catering, bestehend aus 2 Weißbrotscheiben, 1 Wurstscheibe, 1 Käsescheibe und 3 Chips sowie Tee…
Einziger Wermutstropfen sind die kleinen Bildschirme, die jeder Sitz vor sich hat. Man kann 1 Programm gucken, allerdings anders als im Flugzeug haben die Fernseher alle Lautsprecher… Da die Usbeken alle gerne Laut Musik hören kommt man die komplette Fahrzeit in den zweifelhaften Genuss, usbekisches Volksmusikfernsehen in ohrenbetäubender Lautstärke zu erleben.
In Samarkand angekommen wurde erneut die Taximafia beehrt und für 5$ fuhr uns der freundliche Sergej (Telefonnummer auf Anfrage erhältlich ) nicht nur zum Hotel sondern führte leierte auch noch ein Geldwechselgeschäft in einer örtlichen Wechselstube an. In diesem äußerst skurilen Ort mit großen Mengen Geld (in Kubikmetern gemessen…) und windigen Gestalten gab es sogar einen Ständer mit schwarzen Plastiktüten an einer Rolle zum abreißen (wie im Supermarkt an der Gemüsetheke), um das ganze getauschte Geld einzupacken… ansonsten sind die Händler aber seriös und man kann (und sollte!) ohne nachzuzählen die Geldbündel mitnehmen.
Mit Samarkand geht es dann beim nächsten Mal weiter, gefolgt von Tashkent und Khiva.
LG
Sven